Arbeitgeber haben gegen den Betriebsrat keinen Anspruch auf Unterlassung politischer Aussagen

Betriebsrat und Arbeitgeber müssen zwar jede parteipolitische Betätigung im Betrieb unterlassen. Verstößt der Betriebsrat gegen dieses parteipolitische Neutralitätsgebot, steht dem Arbeitgeber aber kein Unterlassungsanspruch zu. Er kann gem. § 23 Abs. 1 BetrVG lediglich die Auflösung des Betriebsrats verlangen, wenn ein grober Verstoß des Betriebsrats gegen seine gesetzlichen Pflichten vorliegt.

 

Der Sachverhalt:
Die Arbeitgeberin gehört zu einem Konzern mit amerikanischer Mutter. Der Konzern stellt Rüstungsgüter her, die u.a. im Irak-Krieg zum Einsatz kamen.

Der bei der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat veröffentlichte im April 2003 einen Aufruf, mit dem er die Arbeitnehmer aufforderte, eine Aktion des Europäischen Betriebsrats gegen den Irak-Krieg zu unterstützen. Im Oktober 2007 informierte der Betriebsrat die Belegschaft über einen Volksentscheid in der Stadt H., mit dem eine Volksabstimmung eingeführt werden sollte. Gleichzeitig forderte er die Arbeitnehmer auf, sich an diesem Volksentscheid zu beteiligen. Der Volksentscheid war parteipolitisch umstritten. Insbesondere die örtliche CDU war gegen diesen Volksentscheid.

Die Arbeitgeberin sah in diesen Aktivitäten des Betriebsrats ein Verstoß gegen das Verbot parteipolitischer Betätigungen aus § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 BetrVG und verlangte Unterlassung. Hilfsweise begehrte sie die Feststellung, dass der Betriebsrat mit diesen Aktivitäten gegen § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 BetrVG verstoßen habe. Das ArbG gab den Anträgen überwiegend statt; das LAG wies sie teilweise ab. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wies das BAG sämtliche Anträge der Arbeitgeberin ab.

Die Gründe:
Die Arbeitgeberin hat gegen den Betriebsrat keinerlei Unterlassungsansprüche.

Zwar sind dem Betriebsrat – wie auch dem Arbeitgeber – gem. § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 BetrVG parteipolitische Betätigungen im Betrieb untersagt. Dieses parteipolitische Neutralitätsgebot erfasst aber zum einen nicht jede allgemeinpolitische Äußerung und ist zum anderen bei einem Verstoß des Betriebsrats nicht mit einem Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers sanktioniert. Arbeitgeber können gem. § 23 Abs. 1 BetrVG lediglich die Auflösung des Betriebsrats beantragen, wenn dieser in grober Form gegen seine gesetzlichen Pflichten verstoßen hat; ein Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat ist dagegen gesetzlich nicht vorgesehen. Er wäre wegen der Vermögenslosigkeit des Betriebsrats auch nicht vollstreckbar.

Der Arbeitgeber ist bei Verstößen des Betriebsrats gegen das parteipolitische Neutralitätsgebot dennoch nicht schutzlos gestellt. Er kann im Wege eines Feststellungsantrags klären lassen, ob der Betriebsrat gegen § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 BetrVG verstoßen hat. Stellt das Arbeitsgericht eine entsprechende Pflichtverletzung fest, so kann dies im Fall einer weiteren Pflichtverletzung des Betriebsrats von entscheidender Bedeutung für einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers sein. Voraussetzung für einen Feststellungsantrag ist allerdings, dass der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der begehrten gerichtlichen Entscheidung noch ein berechtigtes Interesse an der Klärung der Streitfrage hat.

Nach diesen Grundsätzen waren sämtliche Anträge der Arbeitgeberin abzuweisen. Für einen etwaigen Unterlassungsanspruch fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Auch die hilfsweise gestellten Feststellungsanträge der Arbeitgeberin hatten keinen Erfolg:

  • An der begehrten Feststellung, dass der Betriebsrat nicht berechtigt sei, im Betrieb Äußerungen zum Irak-Krieg abzugeben, hatte die Arbeitgeberin kein berechtigtes Interesse mehr, da zu dem seit Jahren beendeten Irak-Krieg keine erneuten Äußerungen des Betriebsrats zu befürchten sind.
  • Der Antrag der Arbeitgeberin, festzustellen, dass der Betriebsrat Mitarbeiter nicht zur Teilnahme an politischen Wahlen oder Abstimmungen auffordern dürfe, ist unbegründet, da eine Aufforderung zur Wahlbeteiligung keine parteipolitische Betätigung darstellt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

BAG 17.3.2010, 7 ABR 95/08